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Weniger Zucker = weniger nichtübertragbare Krankheiten

In Zentraleuropa wird jeder vierte bis fünfte vermeidbare vorzeitige Todesfall auf Ernährungsfaktoren zurückgeführt, unter anderem auf hochverarbeitete Lebensmittel, die reich an Natrium, Fett und Zucker sind.1,2 Exzessiver Genuss hoher Zuckermengen und die damit verbundene beträchtliche Kalorienzufuhr fördern Gewichtszunahme und haben ein erhöhtes Risiko von nichtübertragbaren Krankheiten wie koronare Herzkrankheit, Typ-2-Diabetes und Zahnkaries sowie eine Zunahme der Mortalität zur Folge. Mit Zucker (meist Maissirup mit hohem Fruktosegehalt und Saccharose) gesüßte Getränke (z.B. Softdrinks) sättigen weniger als zuckerhaltige feste Speisen3 und sind ein wesentlicher Ansatzpunkt für gesundheitspolitische Steuerungsversuche.4 Die Weltgesundheitsorganisation WHO setzt auf fiskalische Maßnahmen, um den Gebrauch ungesunder Getränke einzudämmen.5,6 Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern gibt es hierzulande jedoch keine Zusatzbesteuerung zuckergesüßter Getränke. Erstmals wird jetzt für Deutschland in einer Modellierungsstudie errechnet, wie sich drei verschiedene Zuckersteuern auf die Gesundheit auswirken würden – 20% Zusatzsteuer auf zuckergesüßte Getränke bzw. zusätzlich auf Fruchtsäfte, die zum Teil ähnliche Mengen an Zucker und Kalorien enthalten wie Softdrinks,4 oder abhängig vom Zuckergehalt gestaffelte Steuern, die Neuformulierungen mit weniger Zucker induzieren sollen.2 Den Modellrechnungen zufolge sind die Effekte – wie zuvor beispielsweise auch für die USA berechnet7 – beträchtlich: Abhängig vom Steuermodell könnten sich hierzulande bis 2043 130.000 bis 240.000 Erkrankungen an Typ-2-Diabetes sowie 40.000 bis 70.000 Erkrankungen an koronarer Herzkrankheit verhindern oder zeitlich hinauszögern lassen, wodurch 110.000 bis 190.000 qualitätsadjustierte Lebensjahre (QALY; siehe Glossar a-t 2024; 55: 1) gewonnen und 10 bis 16 Milliarden Euro Kosten für die Gesellschaft eingespart würden.2 Solche Modellierungen, die die Ergebnisse demographischer Erhebungen, Risikofaktorprofile und epidemiologische Daten zu Typ-2-Diabetes, koronarer Herzkrankheit und Schlaganfall einbeziehen, erlauben allerdings nur eine ungefähre Prognose. Eine gestaffelte Zuckersteuer scheint jedoch Folgeerkrankungen des Zuckerkonsums am effektivsten verringern zu können. Die Modellrechnungen könnten die tatsächlichen Effekte sogar unterschätzen, da sie lediglich Erwachsene von 30 bis 90 Jahre einschließen. Gerade Jugendliche und junge Erwachsene favorisieren jedoch eher süße Getränke.1 In Ländern wie Großbritannien und Mexiko ist die Häufigkeit der Klinikaufnahmen von Kindern für kariesbedingte Zahnextraktionen8 bzw. von kariösen Zähnen9 in Verbindung mit der Einführung einer Zuckersteuer gesunken. In Großbritannien haben führende Getränkeunternehmen den Zuckergehalt etlicher Getränke zum Teil sogar bereits bei Ankündigung einer gestaffelten Zuckersteuer deutlich gesenkt.10* Appelle an Getränkehersteller hierzulande, den Zuckergehalt von Softdrinks zu reduzieren, verpufften hingegen. Umsteigen auf Süßstoffe erachten wir nicht als sinnvolle Alternative, da Hinweise auf kardiovaskuläre Risiken bestehen und ein relevanter gesundheitlicher Nutzen nicht belegt ist (a-t 2023; 54: 54-5). Durstlöscher der Wahl ist und bleibt klares Wasser, –Red.

*Der Zuckergehalt beispielsweise von FANTA und SPRITE unterscheidet sich in Großbritannien10 und Deutschland erheblich: 4,6 g/100 ml bzw. 3,3 g/ 100 ml versus hierzulande jeweils 7 g/100 ml.
1AFSHIN, A. et al.: Lancet 2019; 393: 1958-72
2EMMERT-FEES, K.M.F. et al.: PLoS Med. 2023; 20: e1004311 (25 Seiten)
3PAN, A., HU, F.B.: Curr. Opin. Clin. Nutr. Metab. Care 2011; 14: 385-90
4MALIK, V.S., HU, F.B.: Nat. Rev. Endocrinol. 2022; 18: 205-18
5WHO: Fiscal policies for diet and prevention of noncommunicable diseases. Techn. Meet. Rep. 5.-6. Mai 2015; https://a-turl.de/dern
6WHO: Global report on the use of sugar-sweetened beverage taxes, Dez. 2023; https://a-turl.de/uu4e
7LEE, Y. et al.: Ciculation 2020; 142: 523-34
8ROGERS, N.T. et al.: BMJ Nutrition 2023; 0: e000714
9HERNANDEZ-F, M. et al.: Caries Res. 2021; 55: 183-92
10foodwatch: Britische Hersteller-Abgabe auf Zuckergetränke wirkt, 27. März 2018; https://a-turl.de/wt8h

© 2024 arznei-telegramm, publiziert am 19. Januar 2024

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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